Am Schlusstag der OL-Europameisterschaften im Tessin gingen die Langdistanztitel an Olav Lundanes (No) und Tove Alexandersson (Sd). Die Schweizer blieben nach drei Gold-Tagen erstmals ohne Titel. Mit Silber durch Matthias Kyburz und Bronze von Julia Gross sowie herausragenden Teamergebnissen war der Auftritt dennoch überzeugend.
Und wieder äusserte Matthias Kyburz als Erstes ein „Äh“. Schon am Samstag in der Staffel kostete den Europameister im Sprint und über die Mitteldistanz ein „kleiner Bogen“ den Anschluss zum Führungsduo Schweiz II und Norwegen. Ein „Äh“ war’s auch gestern nach dem Langdistanzrennen. Eine Unkonzentriertheit kostete ihn eine Minute als er in einem steilen Abhang zu weit nach unten kam und wieder hochsteigen musste. „Dabei habe ich den Sieg vergeben“, sagte der 28-Jährige.
Von Enttäuschung wollte er indes nichts wissen. Als „ein Klagen auf höchstem Niveau“ betitelte er seine Aussagen. Kyburz sagte denn zum anforderungsreichen Rennen über gut anderthalb Stunden: „Ich bin sehr gut OL gelaufen und vor allem gewann ich meine erste internationale Medaille in einem Langdistanzrennen.“ Bis anhin war dies der Makel im Palmares des Erfolgsverwöhnten Aargauers gewesen. Mehr als überzeugend stufte er zu Recht auch seine Erfolgsbilanz ein: zwei Mal Gold und zwei Mal Silber.
Lundanes Erinnerung, Gross‘ Einschätzung
Schneller als Kyburz war nur einer: Olav Lundanes (No), nämlich 52 Sekunden. Mit dem Staffelgold vom Vortag kam der Routinier ebenfalls zu zwei Titelgewinnen. Und er schloss einen Kreis: 2005 gewann er an den Junioren-Weltmeisterschaften im Tessin ebenfalls das Langdistanz-Rennen. Bronze ging nun sensationell an den Österreicher Gernot Kerschbaumer. Und hinter Frédéric Tranchand (Fr) belegten Daniel Hubmann und Martin Hubmann die beiden weiteren Diplomränge. „Für mich enttäuschend“, sagte der erfolgsverwöhnte Daniel. „Ich bin superzufrieden“, strahlte Martin,.
Einzigartig überlegen gewann bei den Frauen die aktuell beste Orientierungsläuferin Tove Alexandersson (Sd). Fünf Minuten Vorsprung holte sie in den gut 80-Wettkampfminuten heraus auf die zweitplatzierte Russin Natalia Gemperle. Und mit einem Rückstand von 5:41 Minuten errang Julia Gross Bronze. „Genial“, freute sich die 27-jährige Zürcherin über ihre erste internationale Einzelmedaille. Als „mehr als perfekte Entschädigung“ fürs Malheur über die Mitteldistanz sah sie den EM-Abschluss – zumal sie am Vortag bereits als Schlussläuferin die Staffel zu Gold geführt hatte.
Simone Niggli bei den Volksläufern und am TV
2:15 Minuten hinter Gross belegte Sabine Hauswirth als zweite Schweizerin Platz 4. Als undankbar empfand die Bernerin ihren Rang nicht. Zurückgebunden durch einen Ermüdungsbruch konnte sie bis drei Wochen vor WM-Beginn nicht laufen. Ihren Trainingsrückstand verbergen konnte sie deshalb nicht. Hauswirth freute sich vielmehr über „einen technisch sauberen Lauf“.
Und auch der parallel ausgetragene 5-Tage-OL verdient Erwähnung: durch die Anzahl der über 2000 Teilnehmer, aber auch durch die Qualität. Als Sieger der Elitekategorien profilierten sich der frühere WM-Läufer Baptiste Rollier sowie Simone Niggli-Luder, die 23fache Weltmeisterin. Die ehemalige Ausnahmekönnerin wirkte zudem als Co-Kommentatorin des Schweizer Fernsehens.
Jörg Greb